Zusammen werden wir leuchten – Lisa Williamson

Meine erste Buchrezension im (nicht mehr ganz so) neuen Jahr dreht sich (logischerweise) wieder um das Thema trans. Der Roman, über den ich etwas schreiben möchte ist letztes Jahr frisch erschienen. 

Zusammen werden wir leuchten Fischer Verlag
Quelle: Fischer Verlag

Klappentext

„Es ist Davids vierzehnter Geburtstag und als er die Kerzen ausbläst, ist sein sehnlichster Wunsch … ein Mädchen zu sein. Das seinen Eltern zu beichten, steht auf seiner To-do-Liste für den Sommer – gaaaanz unten.
Bisher wissen nur seine Freunde Essie und Felix Bescheid, die bedingungslos zu ihm halten und mit denen er jede Peinlichkeit weglachen kann. Aber wird David jemals als Mädchen leben können? Und warum fasziniert ihn der geheimnisvolle Neue in der Schule so sehr?“

Bewertung

Im Großen und Ganzen habe ich von diesem Roman einen gemischten Eindruck. Stellenweise extrem kitschig, dann wieder überraschend erwachsen. Ok, ich muss wohl zugegeben, dass ich eindeutig zehn Jahre älter als die Zielgruppe bin. Und im Vergleich zu „Luna“ oder „Almost perfect“ steht „Zusammen werden wir leuchten“ eher auf den hinteren Rängen der Erwachsenheits-Skala. Was ich aber nicht so schlimm fand, denn ich hatte viel Spaß dabei, den Roman zu lesen.

hier wird gespoilert...

Zuerst aber was mich ein bisschen stört. Mein Hauptkritikpunkt ist der Protagonist David. Ich fand seine Figur einfach nicht glaubwürdig und zu oberflächlich, ihm hat einfach die charakterliche Tiefe gefehlt. Irgendwie hatte ich mehr den Eindruck von einem Jungen mit Identitätsproblemen zu lesen als von einem transsexuellen Mädchen. Jede und jeder von uns reagiert anders auf diese Diskrepanz zwischen körperlichem und seelischem Geschlecht.

Manche können sich schon früh ausdrücken und zu ihrer TS stehen. Andere verleugnen sich und überkompensieren ihr wahres Geschlecht. Wieder andere entwickeln starke Aggressionen gegen andere oder sich selbst. Und manche, wie z.B. auch ich, unterdrücken es konsequent, bis sie im Inneren immer leerer werden. Egal wie, trans zu sein hinterlässt seelische Spuren. Und genau dass konnte ich bei David nicht wirklich erfahren. Natürlich wird sein Hass auf seinen Körper und die Angst vor der Pubertät angesprochen, aber alles in allem bleibt die Darstellung irgendwie blass. Mit fast schon einer unheimlichen Gelassenheit erträgt er die ganze Situation. Was aber sehr schade ist, denn in dieser Figur steckt viel Potential.

Viel interessanter dagegen fand ich Leo – und dass er selbst TM ist, kam für mich völlig überraschend. Ihn fand ich mit seinem Zwispalt und den inneren Dämonen wesentlich glaubwürdiger und konnte mich (obwohl es bei mir in die umgekehrte Richtung geht) wesentlich besser identifizieren. Genauso war seine Welt glaubwürdiger: härter und realistischer, als die heitere Welt in der sich David aufhält. Das Buch lebt ein bisschen von dem Kontrast und dem „Zusammenprall“ beider Welten. Darauf deutet schon der Titel hin – erst beide zusammen können etwas bewegen, sowohl für sich selbst als auch ein bisschen für andere.

Auch wenn, wie schon gesagt, es mit dem Kitsch und den Klischees stellenweise echt übertrieben wurde, zum Schluss hin wird der Roman immer besser. Weder gibt es ein glitzerndes Happy-End, noch kommen die beiden als Pärchen zusammen, noch wird alles gut. Ziemlich gekonnt, wie ich finde, vermeidet die Autorin dieses Klischees. Es ist vielmehr so, dass der Schluss keinen Abschluss bildet, sondern mehr einen Neuanfang für die beiden Protagonisten. Beide lernen, die Welt realistischer zu sehen. Am gelungensten fand ich wieder Leos Part. Er lernt, dass die Welt viel komplizierter ist, manchmal immer noch ziemlich mies, aber doch wieder nicht so schlimm.

Der Roman ist im Fischer Verlag unter der ISBN 978-3-7335-0076-4 erschienen. Wer seine Englischkenntnisse üben will, kann den Roman auch im Original unter der ISBN 978-1910200520 als Taschenbuch bekommen bzw. 978-1910200322 in der gebundenen Version.

Sophie
Hi, ich heiße Sophie und bin 25 Jahre alt. Eine der Mitbegründerinnen hat mich überredet als Gastautorin hier zu schreiben und so werde ich in Zukunft immer mal wieder was schreiben, Nützliches und Interessantes (hoffentlich). eMail: sophie@younganddifferent.de.

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